Die immerwährende Frage nach der Zeit

25. November 2021

Geschätzte Leserin und Leser

 

Seit nunmehr über acht Jahren richte ich diese Zeilen an Sie. Ich hoffe, dass ich Ihnen einiges aus meiner über vierzigjährigen Erfahrung im Ölgeschäft vermitteln konnte. Mein Ziel war es, Ihnen Hintergründe und Zusammenhänge im nicht immer einfachen Öl-Alltag in möglichst einfacher Form zu erklären. Zumindest habe ich es versucht. Natürlich hoffe ich, dass meine Analysen Ihnen auch Entscheidungshilfen sein konnten. Die Herausforderung, jeden Morgen einen möglichst informativen Bericht für Sie niederschreiben zu dürfen, war mir immer ein grosses Vergnügen. Nun, Ende Monat gehe ich in Pension. Die morgendliche Analyse des Marktes aus technischer wie aus fundamentaler Sicht in ein paar Zeilen einzupacken - selbst wenn der Markt nicht «viel hergab» - wird mir fehlen. Geben Sie auf sich Acht, behalten Sie sich Sorge.

 

 

 

Die immerwährende Frage nach der Zeit

 

Nach dem rasanten Anstieg vom Dienstag, 23. November (beim Gasoil knappe $30/Tonne in der Spitze) legten gestern beide Lager, also Bären wie Bullen, einen Ruhetag ein. Und da heute in den USA noch das grosse Truthahn-Essen (Thanksgiving) stattfindet und zu dessen Ehre die Börsen geschlossen bleiben, dürfte der Ruhetag auf heute ausgedehnt werden. In der Regel werden ja bei geschlossener US-Börse in London keine Stricke zerrissen. Ein 100%-iges, spekulatives Hin und Her zeigt sich hingegen noch recht häufig, Trends oder wirklich entscheidende Bewegungen werden aber nicht losgetreten. NY ist und bleibt der Leithammel.

 

Technisch gesehen war die (Aufwärts) Bewegung von vorgestern eine mehr oder weniger normale Reaktion auf den beinahe $100/Tonne schweren Kursrückgang beim Gasoil seit dem 11. November. Dass dieser massive Kursrückgang sich nicht 1:1 in unsere Heizöl- und Treibstoffpreise ummünzte, liegt an der aktuell besonderen Lage: durch die Steuererhöhungen auf fossile Energieträger in der BRD und in der CH stieg die Nachfrage seit Herbst markant. Das führte zu eines grossen Auslastung im Transportwesen zu Wasser (Rhein + Nebenkanälen), Schiene und Strasse. Vor allem der Transport auf dem Rhein ist wegen der tiefen Pegelstände von «normalen» Tarifen (bei ca. CHF 15.- - 20.- pro Tonne) auf über CHF 100.- angestiegen. Nach den Rekordwerten vom Herbst 2018 die zweithöchsten Transportkosten. Besserung nicht in Sicht, da die zu erwartenden Niederschläge hauptsächlich in Form von Schnee und somit gebunden fallen werden. Gleichzeitig legte auch noch der $ gegenüber dem CHF noch zu. Also wurde der enorme Rückgang durch eben diese Faktoren massiv abgefedert.

 

Eines der seltenen Beispiele, wie sich der physische Ölmarkt temporär von den Börsenkursen abkoppeln kann.

 

Alles wird sich wieder «normalisieren» - die Frage ist aber immer die gleiche: die Frage nach dem Wann?? Die Frage nach der Zeit! Vieles können wir analysieren und herausfinden – die Zeitachse wird aber wohl immer ungewiss bleiben

 

Börsendaten 25.11. 2021 um 08:35 Uhr

ICE-Gasoil DEZ: $689.50 (+5.00$)

ICE-Brent JAN: $82.26 (+0.01$)

NY-Rohöl WTI DEZ: $78.29 (-0.10$)

US-Dollar/CHF: 0.9331 (-0.0011)

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